Checkliste Besser entscheiden
Jeden Tag treffen wir hunderte von Entscheiden. Entscheide sind Ausdruck unserer Freiheit und Autonomie. Entscheide sind handlungsorientiert – sie gestalten und wirken. Entscheide sind für das eine und gegen das andere. Viele Entscheide bleiben ohne nachhaltige Konsequenzen. Aber wie steht es um wichtige Entscheide - treffen wir sie mit Bedacht?
Entscheide können vereinfacht in drei Arten unterschieden werden:
- Kopfentscheide
- Bauchentscheide
- Herzensentschlüsse
Bauchentscheide: Starkes Empfinden um die Richtigkeit eines Entscheides ohne dass man wirklich begründen könnte warum ein Entscheid so fallen sollte – geboren aus dem Unbewussten oder Nicht-Bewussten, ein Wissen um verborgene Dimensionen oder Aspekte, das beachtet werden will.
Herzensentscheide: Entscheide in Beziehungsfragen oder bei Anliegen, die die eigene Wesensart betreffen. Entscheide, die einfach Gültigkeit beanspruchen und aus innerer Überzeugung getroffen werden. Gegenläufige Vernunftaspekte prallen ab.
Kopfentscheide: Entscheide, die sich nach Abwägen von Fakten und Argumenten in einem Spannungsfeld von divergierenden Einflussfaktoren abspielen. Vernunft ist Trumpf. Je nach Person beeinträchtigt von mehr oder weniger stark empfundenen Störungen „vom Bauch“, seltener vom „Herzen“.
Entscheide verändern den gegenwärtigen Zustand und werden vor dem Schleier der Zukunft getroffen mit allen Unbekannten (bekannten Unbekannten und unbekannten Unbekannten). Anbetracht der Ungewissheit müssen die Wirkungszusammenhänge der zu entscheidenden Situation erfasst werden (Konsequenzen-Abschätzung) und die Zielsetzungen im Auge behalten werden: Was ist die Auswahl der Handlungsalternativen und wie sieht die Konsequenzen-Abschätzung aus? Wie entscheiden wir uns am besten vor diesem Hintergrund von unvollständigem Wissen, Komplexität ,beschränkter Verfügbarkeit von Informationen, Beurteilungsvermögen und Zeit?
Folgende Fragestellungen können die Entscheidqualität positiv beeinflussen
- Habe ich selber zu entscheiden oder haben andere zu entscheiden?
- Wenn ich zu entscheiden habe: Stelle ich mir die richtigen Entscheidungsfragen? - Statt „entweder oder“ warum nicht „sowohl als auch“ oder „teils teils“
- Um welchen Typ Entscheidung handelt es sich: Kopf-, Bauch- oder Herzensentscheid?
- Welche Handlungsalternativen habe ich?
- Habe ich auch alle Optionen erfasst?
- Bin ich in der Lage, eine gut informierte Entscheidung zu treffen oder fehlen mir Informationen, die ich mir noch beschaffen sollte?
- Was bezwecke ich mit der Entscheidung? Steht die Entscheidung im Dienst meiner elementaren Zielsetzungen?
- Welches sind meine elementaren Zielsetzungen?
- Was sind weitere Motive für meine Entscheidung, die als Trübungen einer objektiven Entscheidung für oder gegen etwas angesehen werden können? Wie z.B.: Lethargie? - Mutlosigkeit? - Angst? - Überforderung? - Hormoneinfluss? - Prestige/Status? - Konkurrenzdenken? -Blockade infolge Perfektionsstreben? - Verlustangst`? - Gruppendruck ? (expliziete Erwartungen von Dritten) - Konformität? (andere machen es auch so) - Erwartungsdruck? (explizite oder angenommene Erwartungen von Autoritätspersonen)
- Was hat eine Entscheidung für etwas oder gegen etwas für Konsequenzen: kurzfristig, mittelfristig, langfristig?
- Gibt es ein Kriterium, das grundsätzlich gegen einen Entscheid spricht („Killerkriterium“ oder „no go“)
- Stimmen Vernunft (Kopf), Bauchgefühl und Intuition überein oder bestehen hier gewisse Konflikte? – Welche?
- Bestehen kompetente Drittmeinungen, die allenfalls Hilfestellungen für meine Entscheidung bieten?
- Kann ich einen Entscheid später korrigieren?
- Kann ich mit möglichen oder wahrscheinlichen negativen Konsequenzen leben?
- Ist eine Entscheidung dringend? Kann ich diese nicht auch später noch treffen? Sollte ich noch einmal darüber schlafen?
- Was sind die Konsequenzen, wenn ich einen Entscheid nicht treffe (nicht ausdrücklicher Entscheid für das Bestehende)?
- Kann ich einen Entscheid einfach auch deshalb treffen, weil mein Anspruchsniveau erfüllt wird (auf die Gefahr hin, dass es auch noch „bessere Wahlmöglichkeiten“ gegeben hätte)
Umgang mit Dilemma („Zwickmühle“):
Optionen können mit unterschiedlichen negativen Konsequenzen verbunden sein oder sind moralisch paradox oder ausweglos:
- Beispiel 1: das „Gefangenen-Dilemma“: Zwei Gefangene werden getrennt verhört. Leugnen beide die Straftat erhalten sie beide eine geringe Strafe. Gesteht der eine geht dieser straffrei aus und der andere erhält die Höchststrafe; gestehen beide, erhalten beide eine mittlere Strafe. Wie soll sich ein Gefangener verhalten?
- Beispiel 2: Das „Zug-Dilemma“: Soll ich eingreifen und über eine Weichenstellung verhindern, dass zwei Züge zusammenprallen wenn ich damit den Tod einer Gruppe von Personen in Kauf nehme, die sich auf dem anderen Geleise befindet?
- Beispiel 3: Buridans Esel (der Esel, der verhungert, weil er sich nicht zwischen zwei gleich grossen und gleich entfernten Heuhaufen entscheiden kann): Ein Entscheid bei zwei gleichwertigen Alternativen, der am besten durch einen Münzwurf zu lösen ist.
Dilemma sind eher selten. Soweit überhaupt entscheidbar liefert die Laplace-Regel (Aufsummierung von möglichen Resultaten und rechnerische Gegenüberstellung am ehesten einen brauchbaren Ansatz).
Entscheidungsfallen:
- Verlustaversion (ungleiche Beurteilung von möglichen Gewinnen und Verlusten)
- Anker-Effekte: Abstellen auf häufig gehörte Argumente ohne Hinterfragen (Fakten-Check!); vertraute Alternativen scheinen eine Richtigkeitsvermutung in sich zu tragen, die eigentlich irrational ist.
- Festhalten an Positionen, in denen viel Geld und/oder Zeit steckt; Gefahr sich in etwas zu verbohren; „Fass ohne Boden“; Zweckoptimismus; Realitätsverlust; „blinde Flecken“; Tendenz, positive Argumente zu suchen und gegenteilige Argumente zu verdrängen
- Entscheiden unter Stress: Bei lebensbedrohenden Situation laufen Entscheide automatisch und optimal ab (kleinhirngesteuert). Bei nicht lebensbedrohlichen Situationen sollte nicht unter Stress entschieden werden und Entscheide lieber vertagt werden („eine Nacht darüber schlafen“); für unvermeidbaren Stresssituationen, wie z.B. in der Notfallmedizin oder im Krieg ist die Einübung automatisierter Handlungsweisen sachdienlich (Sichtung der Situation und Anwendung eines Prioritäten-Schemas oder fixer Handlungs-Schemata wie etwa in der Notfallmedizin)
- Zeitpunkt des Entscheides: Keine Entscheide nach einer Übermüdung treffen, da Urteilsvermögen wahrscheinlich getrübt.
- Bei Spontankäufen sind wir besonders anfällig auf Manipulationsmethoden
Instrumente zum besser Entscheiden
- Tabelle pro und contra, allenfalls mit Gewichtung einzelner Faktoren (Nutzwertanalyse mit Kriterien pro und contra sowie Gewichtung der Kriterien)
- De Bonos sechs Denkhüte (eine Sache konsequent nacheinander aus aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, aber sich dabei zunächst auf nur einen Blickwinkel konzentrieren; v.a. auch für Gruppenentscheide)
- Imagination (Versetzung des Standpunktes in die Zukunft oder in eine andere Person oder Ausmalung was alles schief laufen könnte)
- K.O.-Methode (stufenweises Aussondern einer reichhaltigen Auswahl von Alternativen nach harten und weichen Kriterien); auch strukturiert durch Entscheidungsbäume
- Anwendung von Checklisten
- Laplace-Regel (Aufsummierung von Ergebnissen bei jeder Alternative)
- Wahrscheinlichkeitsrechnung zur Einschätzung von bekannten Risiofaktoren
- Entscheidungsbaum (stufenweises Herunterbrechen auf Teilentscheidungen)
- Worst-Case-Szenario
Bewusstsein um die Unvorhersehbarkeit vieler Möglichkeiten und der denkbaren Auswirkungen auf unsere Situation:
- Die „Truthahn-Illusion“: Der Truthahn, der meint, dass es der Farmer nur gut mit ihm meint, weil er täglich gefüttert wird und der nicht erkennt, dass dies nur zwecks Schlachtung zum Erntedankfest geschieht (Verkennung weiterer, grösserer Zusammenhänge)
- Der „Schwarze Schwan“: Die Erwartung, dass Schwäne immer weiss sind, weil man nichts anderes kennt. Daraus resultierende Blindheit für Vorgänge, die das eigene Weltbild in Frage stellen.
- Unterscheidung von Ungewissheit und Risiko: Risiken können statistisch erfasst werden, aber nicht Faktoren, die schlicht nicht in die Rechnung einfliessen oder überhaupt unbekannt sind.
Entscheid-Schema:
- Anlass zur Entscheidung (was löst den Entscheidungsbedarf aus?)
- Situationsanalyse (wie kam es zur Situation? Was lief oder läuft falsch?)
- Zielsetzungen (wie sieht die ideale neue Situation aus? – Zielkonflikte?)
- Was sind die Möglichkeiten (Wege und Mittel zum Ziel?)
- Entscheid für eine Option (Dokumentation, warum so und nicht anders/Nachvollziehbarkeit des Entscheides und damit Verbesserung der Entscheidqualität)
- Konkrete Entscheid-Umsetzung (zur Tat schreiten)
- Ergebniskontrolle (allenfalls nachkorrigieren)